Für eine bessere Sozialabsicherung der Berliner VHS-Dozent*innen

Am 5.3.2020 wurde in der Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses (AH) ein Antrag eingebracht, mit dem das Parlament den Berliner Senat auffordert, mit ver.di und mit der Vertretung der VHS-Dozent*innen Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel, eine Rahmenvereinbarung über die soziale Absicherung der freiberuflichen Dozent*innen abzuschließen.

Der Antrag, der von den bildungspolitischen Sprecherinnen der drei Regierungsparteien eingebracht worden war, wurde auf den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss überwiesen, um später in einer Plenarsitzung behandelt zu werden. Hier ist die Übertragung der Debatte im Abgeordnetenhaus am 5.3.2020.

Dass dieser Antrag bis in das AH gekommen ist, ist ein positives Zwischenergebnis vom Engagement der Berliner Vertretung der VHS-Dozent*innen. Seit über einem Jahr tauscht sie sich in E-Mails und Gesprächen mit Abgeordneten aus. Zum Glück haben die drei bildungspolitischen Sprecherinnen der Regierungsparteien ein offenes Ohr für unsere Anliegen. Wir sind gespannt, ob und wann der Senat Verhandlungen aufnehmen wird. Dann wird die Berliner Vertretung der VHS-Dozent*innen eine politische Kampagne durchführen, um das Erreichen eines positiven Ergebnisses zu unterstützen.

(lg)

Das Engagement fing noch viel früher an: Schon während der Wahlkampagne 2017 für das Abgeordnetenhaus fanden mehrere Treffen der Dozent*innenvertretung mit Kandidat*innen statt. Im Ergebnis wurde in den Koalitionsvertrag eine für uns positive Absichtserklärung reingeschrieben: „Den Öffentlichen Dienst wird der Senat zum Vorbild für gute Arbeit machen. Die Entlohnung der als Honorarkräfte tätigen Lehrkräfte an Volkshochschulen und Musikschulen wird der Senat erhöhen und prüfen, wie eine bessere soziale Absicherung erreicht werden kann. Dafür werden bei dauerhaftem Tätigkeitsbedarf Honorarverträge in Arbeitsverträge umgewandelt, mit einem Zwischenziel von mindestens 20 Prozent Festangestellten bis 2021. Für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte will der Senat eine tarifvertragliche Regelung abschließen.“

 

Von diesen Absichtserklärungen hat die rot-rot-grüne Regierung eine umgesetzt: Am 29. November 2017 wurde eine Honorarerhöhung für die VHS-Dozent*innen im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses beschlossen: Seit August 2019 bekommen alle Dozent*innen, deren Tätigkeit laut VHS-Honorarordnung einen Hochschulabschluss erfordert, z.B. Deutsch- und Fremdsprachen-Dozent*innen, 35 € pro Unterrichtseinheit (UE). Zudem erhalten die arbeitnehmerähnlichen Kolleg*innen bereits seit Jahren Zuschläge für die Sozialversicherungen sowie ein Urlaubsentgelt, das addiert sich zu 44 € pro UE.

Aber die beiden weiteren Punkte im Koalitionsvertrag sind noch nicht erreicht worden: die 20% Festanstellungen und eine tarifvertragliche Regelung für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte. Der Berliner Senat hat sich geweigert, Tarifverhandlungen aufzunehmen, weil die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL – der Arbeitgeberverband) einen Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche VHS-Dozent*innen ablehne. Andere Arbeitnehmerähnliche aber, nämlich die festen Freien bei den öffentlichen Sendern, haben seit Jahrzehnten einen Tarifvertrag.

Auch in Berlin leben viele Dozent*innen von der Arbeit an den VHS. Das ist kein Nebenjob, sondern ein Beruf: Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung und für Deutsch als Zweitsprache. Etwa 750 der insgesamt rund 3.500 Berliner VHS-Kursleiter*innen sind vom Land als „arbeitnehmerähnlich“ anerkannt und erhalten gesetzliches Urlaubsentgelt sowie Zuschläge zur Kranken- und Rentenversicherung. Und sie leisten rund 70% des Gesamtunterrichtsvolums an den Berliner VHS. Trotzdem erhalten die arbeitnehmerähnlichen Dozent*innen immer nur Honorarverträge für wenige Wochen – selbst bei jahrzehntelanger Vollzeitbeschäftigung. Uns kann jederzeit ohne finanziellen Ausgleich oder Arbeitslosengeld eine Stunden- und Verdienstminderung treffen – oder gar der Verlust der Arbeit. Nach Krankheit oder Elternzeit haben wir kein Recht auf Weiterbeschäftigung. Infolge der jahrelangen Unterbezahlung betragen die Rentenaussichten nach 35 Jahren VHS-Vollzeit nur um die 600 Euro.

 

Bei der Vollversammlung der VHS-Dozent*innen im November 2019 fand eine ausführliche Diskussion darüber statt, ob die Vertretung feste Stellen für 20% der arbeitnehmerähnlichen Lehrkräfte fordern oder lieber die Strategie fortsetzen sollte, einen Tarifvertrag mit Verbesserungen in der sozialen Absicherung für alle Arbeitnehmerähnlichen anzustreben. Fast einstimmig wurde die zweite Lösung gewählt mit der Begründung, dass feste Stellen für 20% der arbeitnehmerähnlichen Lehrkräfte zu einer "Zweiklassengesellschaft" führen würden, solange der Unterschied in der Vergütung und in der Sozialabsicherung zwischen Angestellten und Honorarlehrkräften so groß bleibt, wie er jetzt ist. Als negative Beispiele gelten das Goethe-Institut und die Sprachenzentren.

Vom Tarifvertrag versprechen wir uns stattdessen Bestimmungen, die unsere soziale Absicherung deutlich verbessern und dadurch die Kluft zwischen Honorarlehrkräften und Angestellten verkleinern. Bei der Umsetzung dieser Strategie sieht sich die Berliner Vertretung der VHS-Dozent*innen allerdings mit der Ablehnung von Seiten der Tarifgemeinschaft der Länder konfrontiert, überhaupt Verhandlungen zu einem Tarifvertrag aufzunehmen.

Die Berliner Vertretung der VHS-Dozent*innen befürchtet, dass die Legislaturperiode zu Ende gehen könnte, ohne konkrete Fortschritte bei der Sozialabsicherung verbuchen zu können. So hat sie beschlossen, auf die Forderung zu verzichten, dass der Finanzsenator bei der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) um ihr Einverständnis bittet, einen Tarifvertrag zwischen dem Land Berlin und der Vertretung der VHS-Dozent*innen sowie ver.di abzuschließen. In den letzten Monaten haben sich die Vertretung der VHS-Dozent*innen und die bildungspolitischen Sprecherin*innen der Regierungsparteien darüber geeinigt, nicht sofort auf den Tarifvertrag zu bestehen, sondern zuerst eine Rahmenvereinbarung – nach dem Bremer Modell – anzustreben, da diese keine Zustimmung der TdL voraussetzt.

 

Die Kernforderungen der Vertretung der VHS-Dozent*innen sind mit dem Instrument "Rahmenvereinbarung" dieselben wie in einem Tarifvertrag:

- Honorare entsprechend den Gehältern angestellter Lehrer*innen an Schulen mit vergleichbarer Qualifikation (60 € pro Unterrichtseinheit – 1 UE sind 1,5 Zeitstunden mit Vor- und Nachbereitung lt. der individuellen Verträge, die die Dozent*innen vom Land Berlin bekommen).

- Als erster Schritt: 40 € pro UE wie in Alphabetisierungskursen des Bundesamts für Migration (BAMF).

- Verbesserungen für Dozent*innen durch Haushaltsmittel – ohne Erhöhung der VHS-Kursgebühren.

- 100 % Ausfallzahlung bei Krankheit – ab dem 1. Tag.

- Aufstockung des Krankengeldes nach 6 Wochen auf 100 % des Honorarausfalls.

- Weiterbeschäftigungsanspruch nach Elternzeit, Krankheit oder Pflege von Angehörigen.

- Ausgleichszahlungen bei einer Jahresverdienstminderung von mehr als 10 Prozent.

- Bei Kurswegfall oder Kursausfall: Angebote zur Weiterbildung oder zu anderen Kursen.

- 30 Tage bezahlter Jahresurlaub.

- Freiwilliger Zugang zu zusätzlicher Altersvorsorge in der Versorgungskasse Bund Länder (VBL).

 

Für die Vertretung der VHS-Dozent*innen ist es wichtig, noch in dieser Legislaturperiode eine Verbesserung der Sozialabsicherung für die arbeitnehmerähnlichen Dozent*innen und der Honorare für alle Lehrkräfte zu erreichen. Gleichzeitig sollen diese Verbesserungen von den Einnahmen der VHS aus Teilnahmegebühren abgekoppelt werden. Kursteilnehmer*innen sollen nicht länger für Mehrausgaben für Dozent*innen herangezogen werden. Sonst werden die Kurse zu teuer und garantieren nicht mehr das wichtige Ziel „Bildung für alle“.