"Das ist würdelos!"

Bild von vanleuven0 auf Pixabay
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Umorientieren oder weitermachen? Wie gehen Freischaffende im Kultur- und Bildungsbereich mit der Corona-Krise um? Unter dieser Frage hörte man die DLF-Sendung „Bildungsmagazin“ in der Reihe Campus und Karriere am 02.05.2020. Zu hören waren u.a. Sascha Rex, Grundsatzreferent Schwerpunkt Gesellschaftspolitik beim Deutschen Volkshochschulverband (DVV, Geschäftsstelle Bonn), tätig in der Erwachsenenbildung an der Uni Köln , Sarah Krispin, freischaffende Sängerin in Berlin sowie Lilia Felderritz, ZVA-Künstlervermittlerin an der BfA Köln.

So sind laut Sascha Rex an den Volkshochschulen etwa 200.000 Honorarlehrkräfte zu zählen, von denen etwa die Hälfte ihren gesamten Erwerb aus vhs-Kursen bezieht. Davon wiederum „betreuen“ ungefähr 10.000 Online-Tutoren über das vhs-Lernportal knapp 200.000Teilnehmende aus Integrationssprachkursen. Da es seit 2Jahren die vhs-cloud gibt, sei es nun 800 Volkshochschulen möglich, Online-Kurse anzubieten, darunter auch Initiativen wie „vhs daheim“. Im Fazit geht also der Unterricht für den Weiterbildungsbereich in online-Präsenz weiter. Über das Fortsetzen der Integrationssprachkurse gibt es die Möglichkeit, eine Entlohnung der Lehrkräfte fortzusetzen. Auf Initiative des Bundesministeriums für Forschung wurden in kürzester Zeit 500 Fortbildungen für Online-Tutorien für bisher unerfahrene Lehrkräfte ins Leben gerufen. Auch wenn das Bundesland Berlin beispielsweise den Honorarlehrkräften die abgebrochenen Kurse weiterzahlt, oder die NRW-Landesregierung beschlossen habe, ab 04.05. den Präsenzbetrieb wieder aufzunehmen, stehen doch auch die Länder in der Verantwortung und da die Volkshochschulen letztlich kommunale Einrichtungen sind, können sie nicht einfach selbsttätig werden und eigene Entscheidungen treffen, ob Honorare ausgezahlt werden, sondern sind eben abhängig von den Entscheidungen Dritter. 

(chh)

         

Außerdem erwähnte Herr Rex das Sozialdienstleistereinsatzgesetz (SoDEG), mithilfe dessen der Träger 75% seiner Einnahmen auf Beantragung bekommt, die er dann an die Honorarlehrkräfte weiterleiten kann. Grundsätzlich müssen die Volkshochschulen dem BAMF gegenüber dankbar sein, das bei der Verkleinerung der Kurse oder online-Tutorien und diversen neuen Abrechnungsmöglichkeiten sehr entgegenkam. Natürlich stehe der VHS-Verband an der Seite der Kursleiter und stelle fest, dass sich auch in der Politik darüber Gedanken gemacht werde, wie das komplexe System gerettet werden kann. Und selbstverständlich sieht auch der Verband, dass in der Erwachsenenbildung neue Aufgaben hinzugekommen seien, die dazu führten, dass Lehrkräfte ihren gesamten Lebensunterhalt vom Unterrichten bestreiten, und dafür müssen Festanstellungen her. Die Politik muss für Klärung sorgen.

Eine DaFZ-Lehrkraft der VHS Frankfurt kam auch zu Wort. Sie kritisierte die Verteilungspraxis der wenigen Tutorien an die vielen gewillten Lehrkräfte und stellte die erforderliche Ausstattung der Teilnehmenden in Frage. Davon abgesehen wies sie auf den grundsätzlichen „Geburtsfehler“ der Sprachkurse hin: Honorarlehrkräfte leisten Erwachsenenbildung und haben dabei keinen rechtlichen Anspruch auf einen festen Arbeitsplatz: So bemühen sie sich von Kurs zu Kurs und von Verträgen zu Verträgen. Und da die Honorarlehrkräfte keine Unternehmer im eigentlichen Sinne seien, fallen sie auch durch das Raster der Soforthilfe, Grundsicherung zu beantragen falle ebenso nicht allen leicht. An dieser Stelle würde das Modell Baden-Württemberghelfen helfen: Hier werden die Lebenshaltungskosten von 1180,00 € als Grundeinkommen gesehen. Die Kollegin nannte die Lage der Honorarkräfte bzw. den Umgang mit ihnen in der Krise würdelos, Sie plädierte deshalb für ein notwendiges gesellschaftliches Umdenken: Kann es sich ein reiches Land (wie Deutschland) derartig prekäre Arbeitsverhältnisse leisten? Arbeitsverhältnisse, unter denen die Lehrkräfte keinen rechtlichen Anspruch auf einen festen Arbeitsplatz haben? Zudem haben viele in ihre Bildung und Fortbildung investiert, ist es dann nicht unwürdig, in prekären Verhältnissen zu arbeiten?

Frau Felderritz der ZVA-Künstlervermittlung ließ durchklingen, dass alle Künstler Existenzangst haben, konkrete Hilfe hieße, ALG II zu beantragen, da hier besondere Regeln zum Sozialschutzpaket mit erheblichen Vereinfachungen zum Tragen kommen. Auch vereinfacht sei die Vermögensprüfung, freilich unter Beachtung der geltenden Höchstgrenzen.

Die freischaffende Sängerin Sarah Krispin stützte die Aussagen der DaFZ-Honorarlehrkraft und sagte, dass auch die Musikschullehrer keine weiteren Verträge haben, dass der Bezug von ALG2 dann schwierig sei, wenn man versuche, wieder auf den Markt zurückzukehren, nicht jedes Jobcenter reagiere gleich!