Warum ich das Handtuch hinschmeiße. Bericht einer Kollegin

Das Sprecherteam des Bündnisses DaF/DaZ-Lehrkräfte bedankt sich herzlich bei den Kolleg*innen für die bisher zugeschickten Berichte über ihre Erfahrungen mit dem 5. Modell. Wie geplant hat das Bündnis einige Berichte u.a. dem BAMF, BMI, BMAS und der Bewertungskommission für Integrationskurse zugeschickt und die Zuständigen u.a. dazu aufgefordert, das 5. Modell zu stoppen. Hier veröffentlichen wir den erschütterndsten Bericht.

 

"Erfahrungen mit Unterrichts-Modell 5 (BAMF):  Warum ich das Handtuch hinschmeiße und meine DaZ-Tätigkeit ab sofort beende

 

Ich unterrichte die BAMF-Integrationskurse mit Alphabetisierung seit Aug. 2015 durchgehend beim Kursträger, von dem ich gleich berichte. Als der Kursträger mir im August mitgeteilt hat, dass ich meinen Alpha-Kurs, der in wenigen Monaten die B1 Prüfung schreibt, nach dem neuen Modell 5 von BAMF unterrichten soll, hatte ich schon ein schlechtes Gefühl im Bauch gehabt, denn mir war sehr bewusst, dass der Standort, an dem ich unterrichte, technisch gesehen überhaupt nicht dafür ausgerichtet ist.  Mir war von vornherein klar, was das bedeuten würde:  mein Unterricht in 2 getrennten Räumen ohne technische Verbindung zwischen den beiden Räumen - und damit Lernenden – durchführen, hin- und her pendeln im bestimmten Rhythmus zwischen beiden Gruppen.  Ich habe den Mund gehalten, habe es 2 Tage lang versucht...und nach der erlebten Verzweiflung der Lernenden (Alpha-Kurs TN) habe ich mich schriftlich per e-mail an den Kursträger gemeldet.  In meiner e-mail habe ich den Mitarbeiterinnen kurz und knapp mitgeteilt, dass der Unterricht für ALLE Beteiligten rundherum OHNE technische Verbindung zwischen den Räumen absolut unzumutbar sei, dass die TN so in der Form nicht lernen können und ich als solches den Unterricht auch nicht so durchführen kann.  Das habe ich am Freitag, 21.08.2020 per e-mail geschrieben. 

 

Als ich am Montag, den 24.08.2020 beim Kursträger erschienen bin, um meinen 2. Kurs (Orientierungskurs) zu unterrichten, wurde ich nach der Pause von der Leiterin der Integrationskursen aus der Zentrale darum gebeten, kurz in den Flur zu kommen, wo mir schonungslos mitgeteilt wurde:  "Diese Dame (die dabei stand) übernimmt ab sofort deinen Do./Fr.  Kurs.  Wessen Kontaktdaten soll sie haben:  Deine oder die vom Tandem-Partner?"  Ich war völlig sprachlos - und innerhalb von Minuten die Hälfte meiner Kurse los, d.h. mit der Hälfte meines Einkommens pro Monat.  Das Ganze war mehr als nur "hart" vom Kursträger gewesen.  Es gab keine Antwort auf meine e-mail, in der ich bloß meine Meinung zu Modell 5 geäußert habe, auch kein weiteres persönliches Gespräch.  Ich weiß nicht, wie ich es in Worte fassen soll....Noch oben drauf hat mein Tandem-Partner mir überhaupt nicht den Rücken gestärkt, in keiner Art und Weise, meinte nur, das sei schade, aber „wir müssen jetzt sehr flexibel sein.“  Meine Kurs-TN vom Do./Fr. Kurs waren - genauso wie ich - schockiert und auch zutiefst traurig, denn sie waren darauf eingestellt, sich mit mir gemeinsam für die B1 Prüfung vorzubereiten.  Aber es war nichts zu machen.  Meine Kurs-TN habe mich gefragt, ob sie ihre Meinung dazu im Büro zum Ausdruck bringen dürfen.  Ich habe mit einem klaren „Ja, selbstverständlich“ darauf geantwortet.  Aber auch das hat nicht geholfen.  Daraufhin haben die Kurs-TN mich gefragt, ob ich nicht einen Brief an das BAMF für sie schreiben könne.  Das habe ich auch getan, genau wie ich den Kurs-TN versprochen habe.  Der Brief liegt diesem Bericht bei.  Ich habe den Aussagen von den Kurs-TN nichts zugedichtet, dem BAMF nur mitgeteilt, was die Kurs-TN bei dieser Unterrichtsform (bei Modell 5) empfinden.  Die Kurs-TN waren sehr dankbar für den Brief, der ihnen sogar auf Persisch übersetzt wurde, damit sie sehen könnten, dass der Brief ihr Brief ist.  Sie wollten ihn auch unbedingt unterschreiben, was sie auch getan haben.  Ich habe mich allerdings dann doch dagegen entschieden, den unterschriebenen Brief an das BAMF zu senden, denn es hieß von Kollegen/Kolleginnen, wenn ich das tue, riskiere ich vielleicht doch damit meine BAMF-Zulassung.  Aus Angst davor habe ich mich dann dazu entschieden, Euch (DaF/DaZ Lehrkräfte) zumindest den Brief vorzulegen, damit veröffentlicht werden kann, wie es den Kurs-TN - und auch den Lehrkräften - bei diesem Modell 5 geht.

 

Aus der Verzweiflung nach dem oben geschilderten Erlebnis nach Kursneustart im August heraus und noch zusätzlich durch die extrem kurzfristige Mitteilung (Freitagabend, Kursbeginn Montag) von der Verschiebung des Kursbeginns von meinem anderen Kurs beim Kursträger vom Ende September auf Ende Oktober - d.h. schon wieder 4 Wochen ohne Einkommen für mich - habe ich mich jetzt dazu entschieden, ab sofort aufzuhören, die Weite zu suchen, und hoffe, dass ich bald - in einem anderen sozialen Bereich - eine Festanstellung finde - vielleicht durch einen von der Agentur für Arbeit ausgestellten Bildungsgutschein für eine Weiterbildung.

 

Ohne jegliches Mitleid oder Ausreden für meinen Kursträger suchen zu wollen, bin ich der Meinung, dass der Umgang bzw. das Handeln meines Kursträgers fast ausschließlich aus dem enormen Druck „von oben“ - vom BAMF - entsteht, unter dem er sitzt.  Trotzdem - egal von wem:  nicht akzeptabel!

 

Ja, ich hatte die Corona Soforthilfe beantragt und auch erhalten, was schon eine Hilfe in der Zeit war, in der wir alle nicht unterrichten durften, die Kurse nicht stattgefunden haben.  Arbeitslosengeld stand mir – und steht mir jetzt – aber leider nicht zu, da ich als Selbstständige nicht in die Arbeitslosenversicherung monatlich gezahlt habe.  Böses Erwachen.  Der Weg wird sehr steinig...und sehr hart...gerade als 55-jährige neu-Alleinstehende mit nur noch 12 Jahre bis zur offiziellen Rente.  Keine guten Aussichten.  Aber nicht hoffnungslos."