Kritik an Unterrichtsmodellen des BAMF

Der General-Anzeiger hat gestern in Zusammenhang mit dem Integrationsgipfel den Brief eines DaF/DaZ-Lehrers unter dem Titel "Ohne gute Deutschkurse keine Integration" veröffentlicht. Der Autor, Stephan Pabel, ist Gründer des Bonner Offenen Kreises (BOK). Die Bonner Kolleg*innen gehören dem Bündnis DaF/DaF-Lehrkräfte an. Stephans Brief liegt auch dem Bündnis vor:

 

„Deutsche Sprachkenntnisse sind der Schlüssel zur Integration“
Diese Erkenntnis hört man von allen politischen Verantwortlichen auch jetzt wieder. Recht haben sie!  Dass die Zuwanderer es wegen Corona derzeit besonders schwer haben, Deutsch zu lernen, mag für die Monate Mitte März bis Ende Juni 2020 gestimmt haben. Seitdem der Deutschunterricht Anfang Juli 2020 aber wieder bei VHS und vielen privaten Sprachschulträgern unter Hygienevorschriften stattfindet kann, trägt nicht das Virus die Schuld an schlechten Lernbedingungen, sondern das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge).

 

Die jetzt geteilten Kurse mit je nach Raumgröße mit 10 bis 12 TN (Teilnehmer*innen) hätten gerade jetzt in der Corona-Zeit in diesen vergleichsweise kleinen Gruppen die Chance, besonders intensiv und effektiv Deutsch zu lernen und gute Prüfungen abzulegen. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn das BAMF will das Geld für die dafür erforderlichen Lehrkräfte sparen und daher gilt für das BAMF auch ein geteilter Kurs als nur ein Kurs, den nur eine Lehrkraft unterrichten darf und die es mit dem Träger abrechnet. Nur diese eine Lehrkraft darf nämlich zur selben Unterrichtszeit den genau selben Stoff gleichzeitig in zwei Räumen „unterrichten“. Das bedeutet, dass nur die Hälfte des Stoffs in der bis zur Prüfung vorgegebenen Zeit vermittelt werden kann. Das bedeutet außerdem, dass auch für diese Hälfte die Unterrichtsqualität erheblich darunter leidet, da abwechselnd in einem Raum ohne qualifizierte Fachaufsicht die TN in 45min Schreibaufgaben erledigen sollen, während im anderen Raum die Lehrkraft zur selben Zeit die selben Schreibaufgaben grammatisch aufbereiten und vorbereitend erklären soll.

 

Die niedrige Anzahl der bestanden Prüfungen bei normalerweise bis zu 25 TN war schon immer für die TN und Lehrkräfte in diesen in vielerlei Hinsicht sehr heterogenen Deutschkursen sehr unbefriedigend, weil nicht zielführend. Unter den jetzigen BAMF-Bestimmungen können sie nur deutlich schlechter sein. Anders als gern behauptet und gar noch gefeiert wird, sind 15 Jahre Integrationskurse keine Erfolgsgeschichte. Man stelle sich vor, dass in öffentlichen Schulen bis zu 40% der Lernenden den Haupt- oder Realschulabschluss, das Abitur nicht bestehen. Von Erfolg würde da zurecht sicher niemand sprechen.

 

Virtuelle Online-Deutschkurse scheitern in aller Regel an mangelnder technischer digitaler Infrastruktur in den meisten Schulen und auch bei vielen Lehrkräften und berücksichtigen in keiner Weise die Wohnverhältnisse, bzw. Lernvoraussetzungen der TN, die sich ihre oft sehr beengten m mit vielen anwesenden Familienmitgliedern um sie herum teilen müssen und sich dort nicht in erforderlicher Dauer auf den virtuellen Unterricht konzentrieren können – mal angenommen, sie hätten die technische Ausstattung, daran überhaupt teilnehmen zu können. Deutschkurse als Schlüssel für Integration kosten Geld, wenn sie denn effektiv sein sollen. Solange seit Jahren und bis heute die erforderliche Finanzierung und vernünftige lernzielorientierte Konzepte vom BAMF verweigert werden, wird die deutsche Wirtschaft auf die dringend notwendige Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen mit Zuwanderern mit ausreichenden Deutschkenntnissen noch lange warten müssen.

 

(sp)