ZQ BSK: ein vierter Erfahrungsbericht

Bild von Dariusz Sankowski auf Pixabay
Bild von Dariusz Sankowski auf Pixabay

Heute veröffentlichen wir unten einen vierten Bericht zur ZQ BSK. Wir, das Bündnis, bitten Euch um Erfahrungsberichte über Eure BSK-Zusatzqualifizierungen. Schickt uns bitte den Text in anonymisierter Form zu, und schreibt bitte gleich, ob Ihr mit einer Veröffentlichung einverstanden seid.  Wir werden dann eine Auswahl ans BAMF und BMAS schicken.

 

"Auch ich habe die ZQBSK absolviert und mich reichlich verschaukelt gefühlt. Auch wir hatten nette, mal mehr, mal weniger kompetente DozentInnen. Mit einigen KollegInnen gab es einen wertvollen Austausch. Nur, das habe ich bereits. Ich habe sehr nette UND kompetente KollegInnen, mit denen ich mich regelmäßig austausche. Sogar in der Pandemie haben wir uns regelmäßig auf zoom getroffen, Dinge ausprobiert und Tipps weitergegeben.

 

Selbst KollegInnenhospitation hat nicht das Bamf erfunden. Wir sind schon groß und können tatsächlich auch von selbst mal bei KollegInnen hospitieren. Ich habe das bereits gemacht, bevor ich wusste, dass das Bamf es von mir erwarten würde. Und zwar auch online. Wir geben uns danach sogar Feedback.

Was soll ich als Linguistin in 8 h Linguistik neu lernen? Und gibt es tatsächlich jemanden, der Sprache unterrichtet und noch nie von einem Rollenspiel gehört hat? (Der sollte tatsächlich eine Fortbildung machen.)

 

Wir alle arbeiten seit Jahren interkulturell und ärgern uns über die hinterherhinkenden Lehrwerke und die hinterherhinkenden BSK-Konzepte. Und von diesen Hinterherhinkern sollen wir uns jetzt was erklären lassen? Was genau? Das habe ich nach wie vor nicht verstanden. Auf DAX-Vorstandsebene haben wir ausländische Chefs, die kein Deutsch sprechen. Wir haben dunkelhäutige Deutsche, wir haben islamische Deutsche, wir haben Regenbogenfamilien. Wo ist die Vielfalt in den Lehrwerken? Dort gibt es keine Chefs mit Migrationserfahrung, keine Frauen mit Kopftuch in Arbeit, keine fließend Deutsch sprechenden ‚Brünetten‘ oder gar Dunkelhäutige, keine Regenbogenfamilien, selten Zugewanderte in hochqualifizierten Jobs etc. Die Lehrwerke reproduzieren die konstruierte Grenze zwischen Zugewanderten und Einheimischen im Kopf statt sie aufzubrechen. Diese Grenze hat in  vielen deutschen Regionen, vor allem den Metropolen, so nie in der Realität existiert, da sie über Jahrhunderte immer wieder Einwanderungsgebiete waren. 

 

Ich kenne den Frust (fast) nicht, dass meine TN nicht lernen wollen. Ich erinnere mich an einen von ca. 1000 TN in den letzten 10 Jahren, der wirklich keine Lust hatte, mehr als B1 zu lernen. Es gab natürlich viele mit frustrierenden Lernhindernissen. Das ist aber etwas Anderes und zeigt ebenfalls einen Fehler im System. Zu einem perfekt binnendifferenzierten Unterricht (der von uns ja verlangt wird) gehört nämlich auch ein individuelles Lernziel. Das weiß jeder Pädagoge, es hat sich nur noch nicht bis zum Bamf herumgesprochen. Es gibt Länder, die nicht nur in Statistiken skalierte Ergebnisse dokumentieren, sondern in kompetenter Beratung abhängig von der Lebenssituation, dem Alter, der Anzahl der zu betreuenden Kinder, der Vorbildung, der Gesundheit etc. individuelle und realistische Lernziele für einen festen Zeitrahmen festlegen. Das kann dann eben in 6 Monaten ein, zwei oder drei Sprachlevel beinhalten. Das motiviert und erspart Frustrationen. Die Sprachkurse gestalten wir ohnehin binnendifferenziert. Wenn die Prüfungen alle skaliert würden, bräuchte es nur noch zusätzlich ein gutes Beratungsgespräch am Anfang, um die Grundlagen für eine deutlich motivierendere Lernsituation zu schaffen.

 

Und nein, das Portfolio ist kein Hexenwerk. Wer seine Arbeit bis jetzt kompetent erledigt hat, dem wird es leicht von der Hand gehen. Aber dennoch wollen 30 Seiten getippt und noch mal durchgelesen werden. In dieser Zeit hätte ich mindestens 100 TN-Texte korrigiert, das hätte die Menschheit weiter gebracht… Sogar wenn ich einfach nur im Grünen Energie aufgetankt hätte, wäre das meinen TN mehr zugutegekommen. Und am allerliebsten hätte ich gehabt, dass das Bamf uns die Möglichkeit gegeben hätte, unsere individuellen Kompetenzen zu vertiefen oder zu erweitern. Wie wäre es mit einem Bildungsgutschein, mit dem wir uns eine sinnvolle Fortbildung aussuchen können? Oder sind wir zu dumm dazu? Und vielleicht 20h pro Jahr (mit Ansparmöglichkeit) statt 160h alle 15 Jahre. Wir sind immerhin anerkannt in einer arbeitnehmerähnlichen Situation. Die diesbezüglichen Pflichten werden zwar immer auf die Träger abgewälzt, aber letztlich ist der Staat der Auftraggeber (was er ja mit seinen Verpflichtungen zu jeder Menge Arbeit zusätzlich zum Unterricht immer wieder deutlich macht). Eine wirklich respektvolle Motivation zu Weiterbildung wäre z.B. das Recht auf bezahlten Bildungsurlaub, wie es Arbeitnehmern zusteht.

 

Auf gar keinen Fall möchte ich diesen Quatsch der ZQBSK alle zwei Jahre wiederholen (wie von einer KollegIn vorgeschlagen). Das ist Diebstahl an meiner Lebenszeit. (Ich finde es natürlich völlig ok, diese Fortbildung für diejenigen, denen sie etwas bringt, fakultativ anzubieten.)

 

Was fast noch schlimmer ist, ist die offensichtlich geplante Verschlechterung des Unterrichts sowie der Integration und der Partizipation: Die meisten von uns machen teilnehmerorientierten Unterricht. Das heißt, ich nehme im BSK Berufssprache, wenn möglich sogar Fachsprache, für die im Kurs vertretenen Berufe auf. Warum sollen alle meine TN jetzt Berufssprache für einfache Ausbildungsberufe lernen, wenn sie zu 90% Akademiker sind? Ganz abgesehen davon, dass man damit Partizipation verhindert. Von autorisierter Seite wurde mir diesbezüglich tatsächlich erklärt, dafür sei ja der Integrationskurs da. Der B2-Kurs sei ausschließlich für die Integration in den Arbeitsmarkt (aber nicht so für Akademiker und gar nicht für zukünftige Studierende). Hat schon mal jemand mit B1-Deutsch eine Bürgerinitiative gegründet, ein Gespräch beim Arzt geführt oder sein Kind auf dem Gymnasium angemeldet? Auch Zugewanderte wollen ihre Kinder bei der Schulbildung begleiten. Wie soll das ohne gehobene Allgemeinsprache gehen? Und selbst für eine Freundschaft mit Deutschen braucht man mindestens allgemeinsprachliches B2. Oder ist das nicht gewünscht? Wiederholt sich da nicht gerade ein politischer Denkfehler, den wir vor 50 Jahren schon mal hatten?"