Was tun, wenn der Träger die 29-UE-Regelung nicht einhält?

Vor einigen Wochen hat das BAMF die wöchentliche Arbeitszeit auf 29 UE, die 40 Stunden entsprechen, begrenzt. Unser Bündnis begrüßt die Entscheidung. Wir waren es, die seit Jahren eine Faktorisierung des Unterrichts gefordert haben und auch dieses Projekt in Angriff genommen haben.

 

In den letzten Wochen haben wir allerdings erfahren, dass viele Träger gegen diese neue Regelung großen Widerstand leisten. Es wird angekündigt, dass die Verträge für Festangestellte nicht auf 29 UE Vollzeit geändert werden, sondern alles bleibt wie bisher! Verträge weisen die Zahl der UE gar nicht aus, sondern es werden nur Zeitstunden angegeben und festgelegt, dass die Lehrkraft neben der Unterrichtstätigkeit noch so und so viele Stunden Büroarbeiten übernehmen muss. Oder der Träger kündigt an, künftig gar keine Lehrkräfte mehr festanzustellen, da ihm die neue Regelung des BAMF nicht gefällt.

 

Was können die Lehrkräfte tun, um die neue 29-UE- Regelung durchzusetzen?

 

A. Zuerst sollten sich die Lehrkräfte eines Trägers zusammentun und gemeinsam neue Verträge verhandeln. Allein hat man kaum eine Chance. Am besten wäre es, einer Gewerkschaft wie der GEW beizutreten und ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch ver.di ist denkbar, je nachdem welche Gewerkschaft vor Ort aktiver ist. (Z.B. in Berlin hat ver.di sehr viel erreicht.)  Unsere Erfahrung zeigt deutlich, dass in den letzten Jahrzehnten überall dort, wo die Lehrkräfte sich organisiert haben, erhebliche Verbesserungen erkämpft werden konnten. Waren die Gewerkschaften mit an Bord, geschah es sogar relativ schnell und einfach. Die letzten Beispiele sind VHS  

Hamburg (Beteiligung der VHS an den Sozialabgaben) und VHS Lübeck (Urlaubsentgelt). 

 

B. Auf keinen Fall dürfen wir das Narrativ der die neue Regelung ablehnenden Träger übernehmen. Einige KollegInnen tun es schon und kritisieren die neue Regelung, womit sie den anderen in den Rücken fallen.

 

1. Viele Träger meinen, die 29-UE-Regelung sei unrealistisch und bedeute weniger Geld, weil man ja auch weniger arbeite. Das ist falsch: Wie im Trägerrundschrieben steht, entsprechen die 29 UE einer Vollzeitstelle mit 40 Stunden pro Woche. Die meisten von uns haben einfach in den letzten Jahren viel zu viel gearbeitet. Wer seinen Job gewissenhaft gemacht hat, hat bei 40 UE pro Woche mit Vor- und Nachbereitung sowie anderen Zusammenhangtätigkeiten 50-60 Stunden gearbeitet. Alle Zusammenhangtätigkeiten befinden sich in unserer Umfrage. Und die offizielle Liste des BAMF ist unter diesem Beitrag als PDF zu finden.

Wir sollten also damit argumentieren, dass wir dank der neuen Regelung endlich 40 Stunden und nicht 50-60 arbeiten. Jahrelang, manchmal sogar jahrzehntelang haben die Träger von unserer Mehrarbeit profitiert. Jetzt sollen sie endlich jede Stunde, die wir gearbeitet haben, bezahlen. Natürlich gab es auch einige KollegInnen, die bei ihren 40 UE pro Woche nur das Minimum gemacht haben, was auch verständlich ist, denn warum sollten sie was tun, was nicht bezahlt wurde. Einige Träger haben sogar empfohlen, den TN mehr Stillarbeit zu geben und im Unterricht zu korrigieren. "Dann müsst Ihr ja auch nicht zu Hause arbeiten!" Oder die KollegInnen haben kaum Textproduktionen aufgegeben, um sie nicht korrigieren zu müssen. Was beides für die Unterrichtsqualität bedeutet, liegt auf der Hand. Jetzt aber gibt es keine Ausreden mehr! Bei 29 UE gibt es genug Zeit für die Vor- und Nachbereitung sowie die anderen Zusammenhangtätigkeiten. Der Träger darf eventuell eine Dokumentation verlangen.

Eine Stelle mit 29 UE pro Woche ist also eine Vollzeitstelle mit 40 Stunden pro Woche und muss auch entsprechend bezahlt werden, im Prinzip also genauso wie die alte Stelle mit 40 UE (oder mehr).

 

2. Zu dem Narrativ vieler Träger gehört auch das Argument der Unfinanzierbarkeit. "Die 29 UE lassen sich nicht finanzieren." Es stimmt zwar, dass die Trägerpauschale generell zu niedrig ist, weswegen unser Bündnis zusammen mit den Trägerverbänden um eine erhebliche Erhöhung derselben kämpft, aber sogar die aktuelle Trägerpauschale ermöglicht die Finanzierung der neuen Regelung. Dazu gibt es einen guten Beitrag von der GEW Bayern.

Natürlich wird die neue Regelung den Gewinn der Träger erheblich senken. Für einige Träger, vor allem für die sog. Bildungskonzerne, wird es sehr eng. Aber so ist das in der Wirtschaft. Manchmal geht man Pleite oder muss man sich beruflich verändern. Tausende Lehrkräfte mussten es in den letzten Jahren tun, beispielsweise während der Pandemie, auch weil einige unfaire Träger sich geweigert haben, das SodEg zu beantragen.

In den letzten Jahren haben viele Träger die Honorarstellen abgeschafft und ihre Lehrkräfte praktisch gezwungen, feste Stellen mit 40 und mehr UE pro Woche anzunehmen. Auf diese Weise haben sie viel mehr verdient, denn eine Honorarkraft ist wegen vorgeschriebenen Mindesthonorars viel teurer als eine Angestellte, die 40 UE pro Woche für 3200-3400 € brutto im Monat schuftet. Jeder, der rechnen kann, sieht es sofort. Jetzt ist aber Schluss mit diesen sittenwidrigen Verträgen, was nicht nur die Lehrkräfte begrüßen, sondern auch nicht wenige faire Träger, die ihre festangestellten Lehrkräfte "nur" 34, 32 oder 30 UE arbeiten ließen oder eben die "teuren" Honorarkräfte engagierten und gleichzeitig mit den unfairen Trägern konkurrieren mussten.

 

An dieser Stelle soll endlich eine Lanze für faire Träger gebrochen werden. Die gibt es nämlich, und nicht so wenige, wie manche denken. Diese Träger kümmern sich sehr gut nicht nur um die TN und die Unterrichtsqualität, sondern auch um die Lehrkräfte. Sie helfen sogar bei persönlichen Problemen. Auch gibt es viele sehr gute FachbereichsleiterInnen, die versuchen, unsere Arbeitsbedingungen so gut wie möglich zu verbessern. Unser Bündnis hat nie die Träger als Gegner oder Feind betrachtet. Ganz im Gegenteil, wir haben immer Kontakt zu den Verbänden gesucht und Zusammenarbeit angeboten, denn nach unserer Meinung sitzen wir alle in einem Boot, dessen größtes Problem die Unterfinanzierung durch die Politik ist. Auch heute arbeiten wir gut mit einigen Trägerverbänden zusammen und wissen, dass es dort sehr kluge Aktive gibt, die auch an unsere Interessen denken.

 

Deshalb rät das Bündnis bei Problemen mit dem Träger immer dazu, zuerst höflich um ein Gespräch zu bitten und zu versuchen, sich mit dem Träger zu einigen. Es ist nicht gut, gleich mit einer Klage zu drohen. Nicht selten sind die Leitungen bzw. FachbereichsleiterInnen nicht gut informiert und behaupten etwas, was nicht stimmt.

 

3. Einige Träger haben bereits verkündet, dass der Mindestlohn in der Weiterbildung nicht für die BAMF-Kurse gelte. Andererseits haben sie sich aber in den letzten 20 Jahren immer auf diesen Mindestlohn berufen, um nachzuweisen, dass sie sich an das Gesetz halten. Wenn wir auf die äußerst prekären Gehälter hinwiesen und mehr Geld wollten, hörten wir immer: " Was wollt ihr denn. Wir zahlen doch den Mindestlohn!" Jetzt, wo es ihnen nicht mehr nützt, wollen sie von dem Mindestlohn nichts mehr wissen. Damit sägen sie an dem Ast, auf dem sie sitzen. 

 

4. Ein anderes Argument vieler Träger gegen die 29-UE-Regelung ist ihre angebliche Unverbindlichkeit: „Das ist doch nur eine Empfehlung.“ oder „Im TRS steht doch nur ‘soll’.“ Unser Bündnis hat deswegen bereits das BAMF und das BMAS angeschrieben. In dem Antwortschreiben steht u.a. geschrieben, dass die Regelung verpflichtend sei. Fall es zu Verstößen komme,  könne im Extremfall die Zulassung widerrufen werden.

 

Wenn uns unser Träger also einen Vertrag anbietet, der gegen die neue 29-Regelung verstößt, sollten wir das BAMF informieren und ihm den Vertrag zuschicken. Dabei wäre es sehr gut, unser Bündnis ins CC zu setzen. Wer bei der GEW oder bei ver.di ist, was wir an dieser Stelle noch einmal empfehlen, wende sich zuerst natürlich an die Rechtsstelle. Man kann auch an das Sprecherteam unseres Bündnisses schreiben, und wir sorgen dafür, dass die Meldung schnell bei den zuständigen BAMF-MitarbeiterInnen ankommt. Für neue Verträge gilt die Regelung schon jetzt, für die alten ab dem 1. Januar. 

 

5. In den neuen Verträgen müssen wir darauf bestehen, dass die Anzahl der UE deutlich angegeben wird. Beträgt sie 29, dürfen wir keine anderen Aufgaben akzeptieren. Natürlich kann man regeln, was passiert, wenn es einige Tage oder Wochen ohne Kurse oder mit weniger UE gibt. Dann müssen wir auch flexibel sein, denn die 29 UE sind ein Richtwert, und dürfen wohl unter bestimmten im Vertrag beschriebenen Umständen über- und unterschritten werden.

 

6. Es gibt noch etwas, was uns helfen könnte, wenn unser Träger zu viele UE verlangt. Es handelt sich um das Arbeitszeiterfassungsgesetz . Das ist aber schon etwas für Rechtsstellen der Gewerkschaften bzw. Anwälte. Dasselbe gilt auch für die Überlastungsanzeige.

(as)

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